ENTSTEHUNG DER KUNSTBAR

„Ein totes Pferd, eine tote Kuh, ein totes Schwein müsste dahin“, sagte Andreas, der neben mir auf der Terrasse des Alten Wartesaals saß und auf die großen Fenster der neu erbauten Lokalität gegenüber sah.

Ich schaute ihn ungläubig an und fragte mich, ob Andreas mittlerweile nicht schon das ein oder andere Bier zuviel getrunken hatte.

„Ja, wie Damian Hirst, der bekloppte englische Künstler“, sinnierte Andreas weiter, „der hat Millionen mit seinen präparierten toten Tieren gemacht. Hat eine Lagerhalle angemietet und die von der Decke abgehangen. Das war in der Kunstwelt der Neunziger sehr umstritten, hat aber für sehr viel internationale Aufmerksamkeit gesorgt. Und der Hirst hat Millionen verdient. MILLIONEN!“, wiederholte Andreas.

Da war mein Interesse geweckt und ich bestellte schnell noch zwei Bier bei der freundlichen Bedienung.

Andreas und ich waren seit 1983 Betreiber des Alten Wartesaals, einer Multikultistätte am Fuße des Kölner Doms, direkt neben dem Hauptbahnhof. Der „Saal“, wie wir ihn liebevoll nannten, war weit über die Grenzen Kölns hinaus bekannt durch zahlreiche Konzerte nationaler und internationaler Bands, durch ausschweifende Parties und Clubevents, durch das mondäne Restaurant, in welchem sich zahllose Prominente einfanden, nicht zuletzt durch TV-Legende Alfred Biolek, der ebenfalls unser Partner war.

Im Jahr 2001 erfuhr ich, dass direkt gegenüber des Alten Wartesaals ein großer Bereich der Domplatte abgerissen und der komplette Bahnhofsvorplatz sowie der Aufgang zum Kölner Dom neu erbaut werden sollte. Und in diesem Zusammenhang sollte eben auch das bereits beschriebene neue Ladenlokal entstehen.

Wir befürchteten, dass uns eventuelle Mieter des Lokals als neue Nachbarn über kurz oder lang bei unseren Aktivitäten in die Quere kommen könnten, eventuell auch wegen nächtlicher Lärmbelästigung bei unseren Konzerten und Parties im Alten Wartesaal belangen würden.

Also bewarben wir uns selbst beim Liegenschaftsamt der Stadt Köln um die Anmietung des Objekts.

Als begeisterte Sushi-Fans hatten wir zunächst vor, dort eine Sushi-Bar zu eröffnen. Mit diesem Konzept erhielten wir dann in 2004 auch den Zuschlag für das Mietobjekt und ein Mietvertrag wurde geschlossen.

Im Laufe der Zeit verwarfen wir jedoch die Sushi-Idee wieder und so saßen Andreas und ich nach Fertigstellung der Bauarbeiten im Jahr 2005 an diesem einen Nachmittag im Sommer auf der Terrasse des Alten Wartesaals, tranken Bier und sinnierten, was wir mit dem Laden machen sollten.

Es musste ja nicht unbedingt Damian Hirst sein, aber eine Bar mit viel Kunst drin, schien uns verlockend.

„Was wäre, wenn wir da eine Kneipe eröffnen, die jedes Jahr von einem anderen Künstler komplett neu gestaltet wird?“, fragte ich Andreas. Er griff die Idee sofort auf und meinte, er sei doch Mitglied im Kölnischen Kunstverein. Er könne da doch mal fragen, ob Interesse an einer Kooperation mit uns bestünde. Der Kölnische Kunstverein bestimmt jedes Jahr einen Künstler, der die Bar nach seinen Vorstellungen gestaltet, und wir verkaufen Getränke im periodisch wechselnden Ambiente.

Andreas ging noch am selben Nachmittag zum Kölnischen Kunstverein, stellte unsere Idee vor, die sofort sehr positiv aufgenommen wurde.

Das Projekt kunstbar war geboren.

Die Fertigstellung der Bar wurde seitens des Vermieters aus baulichen Gründen jedoch immer wieder verschoben. Und so dauerte es bis zum Sommer 2008, bis Arne Quinze, ein renommierter Künstler und Designer aus Belgien, mit der ersten Gestaltung der Bar begann.

Die Eröffnung fand im November 2008 statt.

Paolo Campi

 

Fotos by KaPe Schmidt